Mythen aus der Welt des Hundetrainings und wie sie die Gesundheit und das Vertrauen unserer Hunde gefährden

Lesedauer:

10 Min.

Wissensstufe:

Beginner

Artikel als Podcast verfügbar:

Vielleicht hast du schon mal davon gehört: „Der Hund muss für jeden Bissen Futter arbeiten, das ist wichtig, so lernt er schnell, ist immer motiviert und voll auf den Hundehalter fokussiert.“ Diese Behauptung ist nicht nur unwahr, sondern höchst gefährlich für die Gesundheit des Hundes und das Vertrauen zwischen Mensch und Hund und zudem auch nicht tierschutzkonform. Wenn man HundetrainerInnen, die mit veralteten Ideen und Methoden arbeiten, darauf anspricht, dass diese Theorie längst veraltet ist, dann hört man oft die Kritik, dass das doch immer schon so gemacht wurde und das „moderne“ Hundetraining sowieso nur Unsinn ist. Was dabei stutzig macht: Dass dieses aus deren Sicht „moderne“ Training auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts aufbaut. Wie diese Erkenntnisse für manche immer noch als „modern“ gelten können, ist etwas verstörend, oder?

Verlässlich Nahrung zu erhalten und in Ruhe fressen zu können ist ein Basis-Grundbedürfnis

Wie beim Menschen schon in den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts von dem als Gründervater der humanistischen Psychologie geltenden Psychologen Abraham Maslow untersucht, legt das Model der Bedürfnispyramide offen, dass Lebewesen (in der primären Studie der Mensch) nicht durch niedere Triebe, sondern viel mehr durch ein angeborenes Wachstumspotential angetrieben werden, um als höchstes Ziel die Selbstverwirklichung zu erreichen. Darauf basierend leiteten sich eine Hierarchie unterschiedlicher Ebenen von Bedürfnissen ab, biologisch, emotional, sozial, Anerkennung und Selbstverwirklichung. Speziell die unteren Ebenen der Pyramide müssen ein festes Fundament bilden, damit die weiteren Ebenen sich entwickeln können. Gerade die unteren Ebenen dieser Pyramide sind ein wesentlicher Bestandteil für die psychische und somit in weitere Folge physische Gesundheit eines Individuums.

In Ruhe fressen zu können, ohne den Druck zu verspüren, für jeden Bissen unmittelbar Leistung erbringen zu müssen, ist ein wichtiges Grundbedürfnis jedes Lebewesens.

Teile die Futtermenge auf in Mahlzeiten und Training

Auch der Wolf arbeitet nicht vor jeder Mahlzeit

Abgesehen, dass unsere treuen Vierbeiner keine Wölfe sind, ist selbst die Behauptung, ein Wolf würde für jeden Bissen Futter arbeiten müsse, nicht richtig. Selbst manche unserer Hunde haben als Urverhalten noch einen Teil der Jagdverhaltenskette verinnerlicht, bei dem ein Teil der Beute vergraben und erst später verzehrt wird. Auch ist nicht jedes Tier aus einem Rudel immer mit auf der Jagd und bekommt dennoch etwas vom Festmahl ab.

Ein Hund, der für jeden Bissen ein Verhalten anbieten muss, ist im Dauerstress

Die ständige Erwartungshaltung, keine Gelegenheit zu verpassen, bei der Herrchen oder Frauchen etwas vom Hund verlangt, damit er seinen nächsten Bissen Futter erhält, setzt den Hund unter Dauerstress. Das Resultat sind unruhige Hunde in permanent hoher Erregungslage. Adrenalin und Noradrenalin werden ausgeschüttet und in weiterer Folge, wenn es zu keinen Erholungsphasen kommt, sorgt Cortisol, als Dauerstresshormon, das einige Tage zum Abbau benötigt, dafür, dass es zu Schlafproblemen kommt, der Puls erhöht ist und bei einer Dauerbelastung das Immunsystem darunter leidet. Es kann zu Aggressionsentwicklung, Verdauungsproblemen, Allergien, Magen-Darm Erkrankungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen kommen.

Kooperation statt Erpressung

Wir wollen Hunde, die aus Motivation heraus durch positive Verstärkung, also Belohnung, mit uns freudig arbeiten und Spaß am Training haben. Für jeden Bissen arbeiten zu müssen bedeutet letztendlich, den Hund zu erpressen. Das ist keine vertrauensbildende Maßnahme und führt nicht zu Bindung, sondern lediglich zur Manipulation und Kontrolle des Hundes. Alleine dieser Grundgedanke dabei widerstrebt vielen.

Tagesration = Futter aus dem Napf + Belohnung

Natürlich ist es sinnvoll, den Hund neben seiner gesamten, berechneten Tagesration an Futter die Menge an Belohnungen für Alltags- und Sporthundetraining nicht zusätzlich zu verabreichen, wir wollen ja keine übergewichtigen Hunde mit Gelenkproblemen, sondern diese von der Tagesration abzuziehen. Wie hier das Verhältnis gewählt wird, ist wohl sehr individuell und hängt auch von der Trainingsintensität ab. Zwischen 50 und 80 % des Gesamttagesbedarfes in ein bis zwei Mahlzeiten zu verfüttern, die der Hund in Ruhe genießen kann und den Rest fürs Training ist eine bewährte Methode.

Auch die anderen Grundbedürfnisse nicht vergessen

Neben der ausgewogenen Ernährung in sicherer Umgebung gehört auch immer verfügbares, frisches Wasser, ausreichend Bewegung, Ruhe- und Schlafphasen, Körperpflege usw. zu den Basisgrundbedürfnissen auf der unteren Ebene. Mehr zu den Grundbedürfnissen und wie deren Erfüllung bzw. leider eben oft Nicht-Erfüllung sich auf die Bindung, die Gesundheit und auch auf den Trainingserfolg auswirken, erfahrt ihr in unserem Webinar über die Grundbedürfnisse des Hundes.

Hoffentlich konnten wir dir weiterhelfen, wenn nicht, dann trete mit uns in Verbindung und wir helfen dir gerne persönlich:

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